Jüdische Friedhöfe: Orte des Gedenkens, der Erkenntnis und der Stille

Mlada Boleslav

In der Region des Böhmischen Paradieses kann man nicht nur schöne Natur, Burgen und Schlösser finden, sondern auch Orte, die an die multikulturelle Vergangenheit der Länder der Böhmischen Krone erinnern.

Solche Orte sind u. a. jüdische Friedhöfe. Sie befinden sich in Turnov (gegründet 1625), Jičín (nach 1655), Mladá Boleslav (16. Jahrhundert) sowie in drei Dörfern in seiner Umgebung: Dolní Cetno, Písková Lhota - Zámostí und Veselice.  

Friedhöfe sind oftmals das einzige erhalten gebliebene Andenken an die jüdische Besiedlung des gegebenen Orts. Die ältesten Grabsteine auf jüdischen Friedhöfen haben die Gestalt eines aufgerichteten Steins – eine sog. Mazewa. Sie erinnern an den biblischen Brauch des Aufrichtens eines Steins an einem heiligen Ort, wo sich etwas Bedeutsames für das geistliche Leben des Menschen abspielte. Die Inschriften sind hebräisch und stellen die Form eines Namensverzeichnisses dar, denn sie enthalten nicht nur den Namen des Verstorbenen, sondern auch die seiner Verwandten (bei einem Mann den Vater, bei einer Frau den Vater und den Ehemann) und das Datum des Ablebens. Der Grabstein wurde meist anlässlich des ersten Todesjahres des Bestatteten aufgerichtet und konnte interessante Symbole tragen: segnende Priesterhände (Grab eines Angehörigen einer Priesterfamilie – eines Kohen), ein Krug und eine Schüssel zum Händewaschen (Grab eines Angehörigen einer Familie von Leviten, von Helfern aus einem Jerusalemer Tempel), einen Davidstern, bzw. einen Schild (der Verstorbene leitet seine Herkunft von der Ahnentafel des Königs David ab), beziehungsweise Trauersymbole (zerbrochene Fackel, Trauerweide) oder ein Berufssymbol (Fleischermesser für eine rituelle Schlachtung, Beschneidungswerkzeuge, Schlüssel von einer Synagoge eines Synagogendieners).

In den Ländern der Böhmischen Krone wurde meist in einfachen Kiefernsärgen oder auf Bahren bestattet, damit der Körper so schnell wie möglich mit der Erde verschmilzt, wie es in der Bibel heißt: „Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück“. Eine Feuerbestattung galt als Schändung des Körpers und deshalb verbietet sie das traditionelle Judentum. Sie taucht erst im 20. Jahrhundert auf, als viele Juden die religiösen Traditionen aufgeben. Um einen Schwerkranken wie auch einen Gestorbenen kümmerte sich die sog. Beerdigungsbruderschaft (Chewra Kadischa), ein Freiwilligenverein von Gemeindemitgliedern. Diese übernahmen den toten Körper sofort von der Familie, die sich der Trauer bei den traditionellen Trauerritualen hingeben konnte, und brachten ihn zum Friedhof. Hier wurde der Körper sorgfältig gewaschen und gereinigt. Am zweiten oder dritten Tag fand die Beisetzung statt. Alle Verstorbenen wurden ungeachtet ihrer Herkunft oder ihres Vermögens in einem weißen Gewand bestattet. Dem Toten wurden keine Gegenstände oder Gaben beigegeben, denn wie das Sprichwort über die Relativität des irdischen Besitzes sagt: „Das letzte Hemd hat keine Taschen“.

Im 19. Jahrhundert tauchen im Zuge der aufkommenden Emanzipation der Juden als vollberechtigte Bürger auch deutsche Inschriften und an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auch tschechische Inschriften auf. Bis heute wird der Brauch eingehalten, auf ein Grab keine Blumen, sondern Steinchen zu legen, die an die religiöse Überzeugung erinnern, dass Gott ein Fels und die menschliche Seele ein Splitter dieses Felses ist, der durch einen Stein symbolisiert wird.

Autorin: Terezie Dubinová


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